Weiterentwicklung der Regelungen des § 115f SGB zu Hybrid-DRG mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG)
Sehr geehrte Ministerinnen und Minister, sehr geehrte Senatorinnen,
wir erlauben uns, Ihnen heute anlässlich der beabsichtigten Weiterentwicklung der Regelung zur speziellen sektorengleichen Vergütung (Hybrid-DRG) des § 115f SGB V mit dem im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz – KHVVG) zu schreiben.
Bekanntlich hinkt Deutschland bei der Ambulantisierung im internationalen Vergleich massiv hinterher. Das ist sowohl untauglich für die Patientinnen und Patienten, die eine ambulante Behandlung einem stationären Krankenhausaufenthalt vorziehen, als auch für unser solidarisch finanziertes Gesundheitssystem, das mit unnötigen Kosten belastet wird und sich aufgrund der finanziellen Situation gerade ohnehin mit enormen Herausforderungen konfrontiert sieht.
So hat beispielsweise das von Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV), Deutscher Krankenhausgesellschaft (DGK) und Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-SV) auf Grundlage des mit dem MDK-Reformgesetz geschaffenen § 115b Absatz 1a SGB V beim IGES Institut in Auftrag gegebene Gutachten vom März 2022 neben den bestehenden Leistungen im AOP-Katalog zusätzlich 2.476 Leistungen gemäß Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) identifiziert, die sich ohne Risiken für die Patientinnen und Patienten und ohne Qualitätsverluste ambulantisieren lassen können.
Diese Leistungen wurden im Jahr 2019 insgesamt rund 15 Millionen Mal zur vollstationären Behandlung von Patientinnen und Patienten durchgeführt. Demnach sind mehr als ein Viertel aller etwa 58 Millionen vollstationär erfolgten Leistungen ambulantisierbar.
Wir haben es daher außerordentlich begrüßt, dass der Bundesgesetzgeber im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens zum Krankenhauspflegeentlastungsgesetz im Dezember 2022 die Regelungen zur speziellen sektorengleichen Vergütung (Hybrid- DRG) des § 115f SGB V geschaffen hat, um „insofern bestehende Ambulantisierungspotenziale bei bislang unnötig stationär erbrachten Leistungen [zu] heben.“ (BT-Drs. 20/4708 (neu), S. 100).
Die Grundidee der Hybrid-DRG „ist eine Vergütung, deren Höhe zwischen dem ambulanten (EBM) und stationären Niveau (DRG) liegt, wodurch einerseits Anreize zur ambulanten Leistungserbringung gesetzt und andererseits höherer stationärer Behandlungsaufwand vermieden werden.“ (BT-Drs. 20/4708 (neu), S. 100).
Darüber hinaus haben wir es zudem begrüßt, dass der Bundesgesetzgeber im Rahmen des Pflegestudiumstärkungsgesetzes im Oktober 2023 die vorgegebene Frist für die Auswahl der sektorengleich vergüteter Leistungen für die Vertragspartner des § 115b Absatz 1 SGB V (KBV, DKG und GKV-SV), die sich auf Grund der unterschiedlichen Interessenlagen seit mittlerweile zwei Jahrzehnten bei der Ambulantisierung schwer tun, verkürzt hat sowie die strenge gesetzliche Verknüpfung zum AOP-Katalog des § 115b Absatz 1 SGB V aufgehoben hat, um eine Auswahl von Leistungen zu ermöglichen, die nicht im bestehenden AOP-Katalog aufgeführt sind.
Zugleich haben wir jedoch auch schon damals darauf hingewiesen, dass insbesondere bei Leistungen mit einem hohen variablen Sachkostenanteil die als Fallpauschalen (Hybrid-DRG) ausgestaltete sektorengleiche Vergütung, die in der Mischkalkulation auch den variablen Sachkostenanteil beinhaltet, ökonomische Fehlanreize gesetzt werden. Dies ist vor allem in Bezug auf Implantate der Fall, bei der Anreize zur Auswahl und Verwendung von vor allem günstigen Implantaten statt im Sinne der Patientinnen und Patienten qualitativ hochwertigen Implantate entstehen. Vor diesem Hintergrund verwenden wir uns nach wie vor ausdrücklich dafür, dass die variablen Sachkosten, insbesondere die Implantatkosten, außerhalb der Hybrid-DRG den Leistungserbringern gesondert erstattet werden.
Nun sind, für uns überraschend, kurz vor Abschluss des parlamentarischen Verfahrens zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) im Deutschen Bundestag durch die Ampel-Fraktionen Änderungen des § 115f SGB V verabschiedet worden, mit der die Regelung weiterentwickelt werden soll.
Gegenstand der beabsichtigten und im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 16. Oktober 2024 beschlossenen Änderungen ist zum einen die Einführung einer gesetzlichen Dynamik bei der Auswahl der Leistungen durch die Vertragspartner (KBV, DKG und GKV-SV) mit dem Ziel, im Jahr 2030 zwei Mio. von 17 Millionen vollstationären Behandlungsfällen über die Hybrid-DRG ambulantisiert zu haben. Dies entspräche ca. 12 Prozent der vollstationären Krankenhausfälle auf dem Niveau des Jahres 2019.
Wir halten diese Vorgabe vor dem Hintergrund des heute in Deutschland bestehenden enormen Ambulantisierungspotentials für unterambitioniert.
Richtig ist mit Sicherheit, dass sich nicht von heute auf morgen über 25% der heute im Rahmen vollstationärer Behandlungen erbrachten, theoretisch ambulantisierbaren Leistungen praktisch sofort und vollumfänglich ambulantisieren lassen. Wir sind allerdings davon überzeugt, dass die vollumfängliche Hebung des Ambulantisierungspotentials bis zum Ende dieses Jahrzehnts auch in Deutschland gelingen kann und gelingen sollte.
Entscheidend dafür ist aus unserer Sicht, (1.) dass bei der Auswahl ambulantisierbarer Leistungen wenigstens weiterhin, wie nach dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz, eine Verweildauer von 3-Tagen als Kriterium herangezogen wird, (2.9 bei der Leistungserbringung die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte mit ihren Praxen, Praxiskliniken und MVZ gleichrangig neben den Krankenhäusern einbezogen werden, also eine Verlagerung der Leistungserbringung sektorengleich vergüteter Leistungen auch und gerade auf die originären ambulanten Leistungserbringer erfolgen kann, (3.) Kapazitäten der stationären Leistungserbringer für die ambulantisierten Leistungen auch in Kooperation mit den Vertragsärztinnen und Vertragsärzten genutzt werden, (4.) nicht bedarfsnotwendige Krankenhausstrukturen in ambulante OP-Zentren mit angeschlossenen Kurzzeitliegeplätze umgewandelt werden und (5.) die Transformation der Leistungserbringung mit entsprechenden Vergütungsanreizen sowohl für die Krankenhäuser als auch die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte unterlegt ist. Wir möchten vor diesem Hintergrund nochmals deutlich mehr Ambitionen des Gesetzgebers einfordern, zu einer bedarfsgerechten Versorgung auch im Sinne der Patientinnen und Patienten sowie mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit zu gelangen.
Angesichts dessen sehen wir es kritisch, dass nunmehr offenbar beabsichtigt ist, die alternative Abrechnung der sektorengleich vergüteten Leistungen nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) gesetzlich auszuschließen. Faktisch betrifft dies alle im AOP-Katalog des § 115b Absatz 1 SGB V enthaltenen Leistungen, die für die sektorengleiche Vergütung ausgewählt wurden und damit den ganz wesentlichen Teil aktuell nach § 115f SGB V sektorengleich vergüteter Leistungen.
Ein solcher alternativer Abrechnungsausschluss wäre aus unserer Sicht nur dann unproblematisch, wenn und soweit die sektorengleiche Vergütung, wie das erklärte Intention des Bundesgesetzgebers war, oberhalb des Vergütungsniveaus der EBM läge.
Tatsächlich aber ist dies, vor allem bei Leistungen mit großem variablen Sachkostenanteil, insbesondere Leistungen mit großen Implantatkostenanteil, nicht der Fall. Wir müssen vielmehr umgekehrt feststellen, dass die sektorengleiche Vergütung für bestimmte Leistungen merklich unterhalb des EBM-Niveaus liegt.
Damit müssen wir auch feststellen, dass durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) eine Kalkulation der sektorengleichen Vergütung erfolgt ist, die dem ausdrücklichen Willen des parlamentarischen Gesetzgebers widerspricht.
Aus unserer Sicht ist dem nur beizukommen, wenn (1.) die alternative Abrechnung der Leistungen über den EBM möglich ist und die gesetzlich klargestellt wird oder (2.) unverzüglich eine umfassende Neukalkulation der sektorengleichen Vergütung aller von § 115f SGB V umfasster Leistungen mit dem Ziel einer Vergütung oberhalb des EBM-Niveaus erfolgt oder (3.) die variablen Sachkosten und insbesondere die Implantatkosten neben der sektorengleichen Vergütung gesondert erstattet werden.
Wir erlauben uns den Hinweis, dass bei einer Abrechnung der Leistungen des AOP- Katalogs nach EBM eine gesonderte Abrechnung und Erstattung der variablen Sachkosten erfolgt.
Ferner trifft auf unser Unverständnis die Absicht, gesetzlich zu regeln, dass die Vertragspartner des § 115b Absatz 1 SGB V (KBV, DKG und GKV-SV) künftig Inhalt und Form des Abrechnungsverfahrens sowie erforderlichen Vordrucke vereinbaren sollen. Tatsächlich sind die wesentlichen Modalitäten des Abrechnungsverfahrens heute insbesondere über die Regelungen des § 69 Absatz 1 SGB V sowie den Verweis in § 115f Absatz 3 SGB V auf die entsprechende Geltung der §§ 295 Absatz 1b Satz 1, § 295a und § 301 Absatz 1 und 2 SGB V geregelt. Es fehlt für die vorgesehene einheitliche digitale Abrechnung derzeit ausschließlich eine für alle Krankenkassen verbindliche Richtlinie für den elektronischen Datenaustausch des GKV-Spitzenverbands, wie diese beispielsweise für die Abrechnung nach § 73b und § 140a SGB V existiert. Eine gesetzliche Regelung, die den Auftrag an den GKV-SV an dieser Stelle verdeutlicht wäre, wäre im Interesse der Leistungserbringer, die direkt gegenüber den Krankenkassen elektronisch abrechnen oder einen Dritten zur elektronischen Abrechnung gegenüber den Krankenkassen beauftragen, statt mit Vordrucken konfrontiert zu werden, die digitale Abrechnungen noch weiter erschweren.
Wir bitten Sie daher, setzen Sie sich auch im Bundesrat, nicht nur im Interesse der Fachärztinnen und Fachärzte in Klinik und Praxis, sondern auch im Sinne der Patientinnen und Patienten sowie der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler eine zielführende und funktionierende Weiterentwicklung der Regelungen des § 115f SGB V ein, die zu einer bedarfsgerechten und qualitativ hochwertigen Versorgung führt ohne bürokratische Hürden für die Fachärztinnen und Fachärzte und ohne ökonomische Fehlanreize zu Lasten qualitativ hochwertiger medizinischer Versorgung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. med. Dirk Heinrich Vorstandsvorsitzender
Dr. med. Norber Smetak Vorstandsmitglied
Dr. med. Helmut Weinhart Stv. 2. Vorsitzender
Jan Henniger Vorstandsmitglied
Dr. iur. André Byrla Hauptgeschäftsführer
Dr. med. Petra Bubel Schatzmeisterin
Prof. Dr. med. Hermann Helmberger Vorstandsmitglied (kooptiert)
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