BAO-MAO-Aktuell – Extra vom 30. November 2005 Nachrichten für Ambulante Operateure und Anästhesisten
+++ BAO-Pressemitteilung 29.11.05: Ambulante Operationen nur noch als Notfall +++
Bonn, den 29.11.2005: Der Bundesverband für Ambulantes Operieren (BAO) empfiehlt seinen Mitgliedern, ambulante Operationen nur noch zur unmittelbaren Notfallversorgung durchzuführen. „Die Entwicklung im Ambulanten Operieren hat mittlerweile zu einer krassen Unterdeckung der tatsächlich entstehenden Kosten geführt, mit dem Ergebnis, dass die Operateure nicht nur kein Honorar erwirtschaften, sondern sogar Geld mitbringen müssen, um die Patienten der gesetzlichen Krankenkassen operieren zu können,“ erklärte der Präsident des BAO, der Bremer Chirurg Dr. Jörg-A. Rüggeberg. Die so entstehenden Wartelisten seien letztlich auf die politisch induzierte Mangelversorgung zurückzuführen und das Resultat einer verdeckten Rationierung durch die Gesetzgebung der letzten Jahre.
Auslöser für die jetzt vom BAO ausgesprochene Empfehlung sei die dramatische Entwicklung der Honorarauszahlung, die gerade die hochinvestiven operativen Praxen an den Rand der Existenz gebracht hätten. Grund für die Entwicklung sei eine neue Verteilungssystematik in Folge der neuen Kalkulationen der für Kassenpatienten relevanten Gebührenordnung. Diese weise jetzt erstmals eine differenzierte Kalkulation ärztlicher und technischer Leistungsanteile aus. Daraus ergebe sich ein Anteil von durchschnittlich 20 % der Vergütung bei Ambulanten Operationen für das ärztliche Honorar, der Rest (80 %) sei ein reiner Kostenanteil, der den Einrichtungen unmittelbar entstehe und damit auch nicht als Gewinn verbucht werden könne. Die Kalkulation der aufgrund gesetzlicher Vorgaben in Punkten auszudrückenden Leistung basiere auf einem Umrechnungsfaktor von 5,11 Eurocent pro Punkt. Dieser Wert werde in der jetzt erfolgten Auszahlung aber bis auf wenige Ausnahmen bundesweit deutlich unterschritten, zeitweise bis unter 3 Eurocent. „Zwischen 5,11 und 4,1 Cent verlieren die Operateure ihr Einkommen, darunter zahlen sie zu“, erläuterte Rüggeberg.
Um nicht die Existenz der Praxen durch hoch defizitäre Operationen und damit die Gesamtversorgung der Patienten mit anderen Leistungen zu gefährden, müsse das Ambulante Operieren auf ein Mindestmaß, ggf. auch komplett reduziert werden. „Jeder Betrieb muss einen Produktionszweig in roten Zahlen umgehend aufgeben, wenn er nicht insgesamt in die Insolvenz geraten will“, so Rüggeberg. Man müsse mit den Kassen zu Verträgen kommen, die das Ambulante Operieren weiter sicherstellen, zumal diese Form der Medizin gegenüber einem stationären Behandlungsfall erhebliche Einsparungen für die Kostenträger bewirke. Es sei im übrigen auch für die Kliniken in gleicher Weise unmöglich, Ambulante Operationen unterhalb einer Kostendeckung zu erbringen, denn diese unterlägen den gleichen Bedingungen.
„Selbstverständlich werden unmittelbar lebensnotwendige Eingriffe auch weiter durchgeführt, alles andere hingegen muss zeitlich verschoben werden, denn die Kapazitäten sind wegen der angespannten Wirtschaftslage in den Praxen deutlich abgebaut worden“, so Rüggeberg. Bereits in der Vergangenheit hätten die Praxen in großem Umfang Personal freisetzen müssen und auf Investitionen verzichten müssen. Unter diesen Umständen sei nur noch eine begrenzte Leistungsfähigkeit verblieben. Es entstünden nun Wartelisten, die letztlich Ausdruck der desolaten Situation des Gesundheitssystems seien. „Seit Jahren wird anstelle sinnvoller Strukturreformen immer nur die Keule der Rationierung geschwungen, jetzt sind die Resultate dieser verfehlten Politik offenkundig.“ so der BAO.
Gemäß der Gesetzeslage (§ 13 SGB V) hätten die Kassen allerdings die Möglichkeit, ihren Versicherten die notwendigen Kosten eines ambulanten Eingriffs unmittelbar gemäß eines Kostenvoranschlages zu erstatten. „Wir werden unsere Patienten auf diese Option hinweisen und ihnen nicht mehr in Rechnung stellen, als es der Kalkulation der Gebührenordnung entspricht, wie sie zwischen Kassenärzten und Krankenkassen auf Bundesebene vereinbart wurde, aber zum vollen Wert von 5,11 Cent und nicht nach der jetzt erfolgten Abwertung des Kurses um mehr als ein Drittel“, verdeutlichte Rüggeberg. Der BAO stelle seinen Mitgliedern entsprechende Informationsmaterialien für Patienten und Krankenkassen zur Verfügung und stehe für Beratung der Patienten, Ärzte und der Öffentlichkeit jederzeit zur Verfügung.
Alle Materialien sind unter http://www.operieren.de/content/e142/index_ger.html einsehbar.
+++ „Medizinische Informationen - exklusiv für AOK-Mitglieder" +++
Drei Kommentare
1. Willibald Hobmair, Sprecher des ANC Südwürttemberg, schrieb am 24.11.2005 an die AOK:
Sehr geehrte Herren Vorstände,
beiliegenden Brief, den offensichtlich der Landesverband über die Köpfe seiner Bezirksdirektionen hinweg, jedoch mit den Adressen und Unterschriften der Bezirksdirektionen, versandt hat, habe ich von mehreren Patienten nun zugereicht bekommen, und zwar mit Bemerkungen, die nicht günstig für die AOK ausfallen.
Offensichtlich wollten Sie mit dem Brief Ihr Care-Telefon an den Mann bringen. Dies ist jedoch denkbar ungeschickt geschehen.
Sie haben mit dem Hinweis auf eine sehr zweifelhafte Untersuchung aus den USA, die im Spiegel, typischerweise passend zu dem Artikel zitiert wird (die Untersuchung ist veraltet, außerdem auf Deutschland in keinster Weise übertragbar), versucht, ihre Mitglieder auf ihr AOK-Care-Telefon und Ihr medizinisches Experten-Team aufmerksam zu machen. Wenn Sie diesen Brief als Landesverband global über das Land versandt hätten, wäre dies wahrscheinlich nicht so sehr gravierend, wie dies nun ausgefallen ist.
Wenn jedoch ein Brief einer bestimmten Bezirksdirektion, also streng lokal, an einen bestimmten Patienten geht, nimmt der Patient dies selbstverständlich wörtlich und auf die lokalen Verhältnisse bezogen.
Mir ist bekannt geworden, dass dieser Brief zumindest im Raume der Bezirksdirektion Reutlingen und im Raume der Bezirksdirektion Tübingen versandt wurde.
Mit den Äußerungen, die über die Arthroskopie gemacht werden, äußern Sie sich eindeutig auch lokal gegen die an diesen Orten tätigen Chirurgen.
"Eine aufsehenerregende Studie... belegt, dass viele Eingriffe gar nicht notwendig sind."
Wenn dem so wäre, kann sich der betroffene Patient, dem gegebenenfalls von einem chirurgischen Kollegen eine Arthroskopie empfohlen wird, zu der Menge der "vielen“ zählen, wenn dies sogar "belegt" sein soll.
Der Inhalt Ihres Patienten-Briefes wurde nicht nur von den betroffenen Ärzten, sondern insbesondere von den betroffenen Patienten als Verunglimpfung der betreffenden arthroskopierenden Chirurgen empfunden.
Sachlich ist dazu zu sagen, dass heutzutage hierzulande praktisch keine Arthroskopie mehr ohne vorherige Veranlassung eines Kernspintomogramms durchgeführt wird, und dass es aufgrund des kernspintomografischen Befundes eindeutige Kriterien gibt, die eine Arthroskopie indizieren oder eben nicht.
Ihre Einlassung aus dem Spiegel Artikel ist lokal angewendet deplaziert.
Sie haben mit Ihrem Schreiben möglicherweise nicht nur den betreffenden Chirurgen, sondern insbesondere sich selbst einen schlechten Dienst erwiesen; wahrscheinlich den operierenden Chirurgen nicht so sehr, da der Patient in der Regel ganz gut einschätzen kann, wer ihm etwas andrehen und verkaufen will oder wer es mit ihm ehrlich meint.
Mit Ihrem Brief haben Sie zu deutlich zu erkennen gegeben, dass Sie Ihr Care-Telefon an den Mann bringen wollen: so zumindest der Eindruck der Patienten, die mir das Schreiben gebracht haben.
Sie haben nun mit diesem Schreiben etwas Scherben im Verhältnis zwischen der AOK und den behandelnden Ärzten produziert, was nicht mehr so einfach wieder gutzumachen ist, da die Schreiben bereits rausgegangen sind.
Wir würden Sie bitten, in Zukunft solche lokal bezogenen Ärzte-verunglimpfenden Äußerungen zu unterlassen, wenn Sie Wert darauf legen, dass die AOK und die behandelnden Ärzte weiterhin gut miteinander kooperieren.
Ich für mich kann für die Kollegen im Raume Reutlingen und Tübingen nur davon berichten, dass wir ein sehr gutes Verhältnis zu unseren AOK-Bezirksstellen haben und dies eigentlich auch erhalten wollen.
Ich denke, dass dies auch im Sinne des Landesverbandes sein müsste.
Mit freundlichen Grüßen
Willibald Hobmair, Arzt für Chirurgie – Unfallchirurg, 2. Vorsitzender des ANC Südwürttemberg
2. Zu dem gleichen Thema schrieb Dr. J. Huber, Orthopädische Gemeinschaftspraxis, Heidelberg
Sehr geehrter Herr Stutz,
kürzlich erhielten wir ein Rundschreiben über eines Ihrer Mitglieder die „Medizinische Information - exklusiv für AOK-Mitglieder! ", herausgegangen am 07.11.05.
Dieses Schreiben hat uns irritiert und verärgert. Wir sind eines der wenigen Zentren in Baden Württemberg, die auf Sportverletzungen, insbesondere auf Gelenkverletzungen mit Schwerpunkt Kniegelenk spezialisiert sind. Es werden derzeit über 3.000 Operationen jährlich im arthroskopischen Bereich durchgeführt. Bei der Indikationsstellung zur Operation nehmen wir uns sehr viel Zeit für genaueste Anamnese, Untersuchung und Beratung des Patienten. Der Zeitaufwand ist sicherlich nicht mit dem zu vergleichen, den eine konservative Therapie erfordert.
Der hier vorliegende Informationsbogen führt dazu, die "Verunsicherung in der modernen Medizin" erheblich zu vergrößern und das Arzt-Patient-Verhältnis auf das Schwerwiegendste zu gefährden. Wir müssen uns hier fragen, ob die von Ihnen angebotene Hotline eine Verbesserung der Qualität darstellt oder lediglich eine Sparmaßnahme der Krankenkasse sein sollte. Obwohl wir täglich etliche Kniegelenke untersuchen, würde sich keiner von uns in der Lage sehen anhand einer telefonischen Beratung die Indikation zu einer Operation zu stellen. Gerne würden wir Genaueres über das medizinische Expertenteam erfahren, welches angeblich hierzu in der Lage ist.
Unser Vertrauen in die sinnvolle Zusammenarbeit mit der AOK wird durch solche Aktionen erheblich gestört.
Wir erwarten Ihre rasche Stellungnahme. Auch finden wir eine relativierende Gegendarstellung an Ihre Versicherten in schriftlicher Form angemessen, welche die medizinische Qualität von hochspezialisierten Praxen wie der unseren auch auf dem Gebiet der Arthroskopie in ein rechtes Licht rückt.
Sollten wir innerhalb von 14 Tagen von Ihnen keine Nachricht erhalten, gehen wir davon aus, dass wir in Ihrem Sinne handeln, wenn wir alle AOK-versicherten Patienten zunächst an Ihre Hotline verweisen, bevor bzgl. einer erforderlichen Operationsindikation aus Ihrer Sicht überflüssige und für uns zeitraubende Untersuchungen durchführen.
3. Im Zusammenhang mit dem Rundschreiben „Medizinische Information – exklusiv für AOK-Mitglieder“ weist Dr. med. Emanuel Ingenhoven, Vorsitzender des Bundesverbandes für Ambulante Arthroskopie, BVASK e.V., auf folgende Veröffentlichung hin:
Stellungnahme des Bundesverbandes für Ambulante Arthroskopie, BVASK e.V. zu der Veröffentlichung ‚A controlled trial of arthroscopic surgery for osteoarthrosis of the knee’ von Moseley JB, O’Malley K, Petersen NJ, et al., erschienen im New England Journal of Medicine 2002;347: 81-88
Aus vorgenannten Gründen ist die Studie, obwohl sie scheinbar in einer hochwertigen Zeitschrift publiziert wurde, wissenschaftlich nicht haltbar. Die hieraus gezogenen Schlussfolgerungen wurden von den nordamerikanischen wissenschaftlichen Gesellschaften inzwischen einhellig abgelehnt.
Link: http://www.bvask.de/frame1.htm Aktuelles, The 5.000 Dollar-Surgery nobody needs
+++ Aktion Kostenübernahme +++
Der Landesverband Bremen lädt für die kommende Woche alle ambulanten Operateure und Anästhesisten im Lande Bremen (auch die Nichtmitglieder) zu einer Vollversammlung ein. Verhandlungen über kostendeckende Strukturverträge sind an den niedrigen Vergütungsvorschlägen der Kassen gescheitert.
Im Rahmen einer Vorstandssitzung im Beisein von Dr. Rüggeberg wurde heute Abend beschlossen, die Verhandlungsbereitschaft der Kassen durch das vom BAO vorgeschlagene Kostenübernahmeverfahren zu fördern.
Dr. Böhm, Präsident GAO, 29.11.2005
+++ Staatsmedizin oder freie Praxis? +++
Von Jost Brökelmann
Die Forderungen von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt nach Abschaffung des EBM2000plus und der GOÄ sowie Schaffung einer neuen, einheitlichen Gebührenordnung und zusätzlich einer Behandlungspflicht der Ärzte zu einheitlichen Preisen hat den Präsidenten der Bundesärztekammer (BÄK) veranlasst, von „Staatsmedizin“ zu sprechen (Hoppe 2005). Auch der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) wandte sich gegen diese Pläne. Doch welche Alternative schlagen beide Ärztefunktionäre vor? Eigentlich keine. Vielleicht dürfen sie auch keinen Alternativweg aufzeigen, denn sie sind Repräsentanten von Selbstverwaltungsorganen und damit Vertreter der mittelbaren Staatsgewalt. Sie dürfen nichts gegen den Staat aussagen, auch wenn sie dieses im Interesse ihrer Mitglieder vielleicht wollten.
Die niedergelassenen Ärzte auf der anderen Seite sind von ihrem Status und von der Geschichte her Freiberufler. Sie sind Zwangsmitglieder der Ärztekammern und zum größten Teil aus wirtschaftlichen Gründen auch Mitglieder der kassenärztlichen Vereinigungen, weil etwa 90 % der Bevölkerung in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind und ein Überleben der Arztpraxen ohne Kassenpatienten in den meisten Gegenden Deutschlands nicht möglich ist. Sie haben sich u. a. in freien Verbänden wie Hartmannbund und NAV-Virchow-Bund organisiert. Ein gemeinsamer Gegenvorschlag der Privatverbände zu diesen Verstaatlichungstendenzen des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales (BMGS) steht noch aus. Deshalb soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, eine Alternative zu den Plänen der Gesundheitsministerin und der SPD aufzuzeigen.
Die Alternative zur Staatsmedizin könnte „freie Praxis“ genannt werden. In Abb. 1 sind die unterschiedlichen Positionen aufgelistet:
Eine Alternative zur geplanten einheitlichen Gebührenordnung zu festen Preisen ist eine „flexible“ Gebührenordnung, die eine Preisgestaltung bezüglich Kosten und Qualität durch einen variablen Steigerungsfaktor ähnlich der alten Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zulässt, aber das Leistungsverzeichnis an internationale Kodierungen, z. B. OPS, ständig anpasst. Die individuelle Rechnungsstellung wird im übrigen auch vom Bundesverfassungsgericht akzeptiert, wenn es ausdrücklich einen höheren Steigerungssatz als den 3,5fachen für entsprechende Leistungen zulässt (Bundesverfassungsgericht 2005).
Die Alternative zu einer Behandlungspflicht für Ärzte ist eine freie Arztwahl für die Patienten und auch eine freie Behandlungswahl der Ärzte außer bei Notfällen.
Die Alternative zu einer vorgeschriebenen Qualität und zu möglicherweise staatlich vorgegebenen Leitlinien ist der freie Qualitätswettbewerb, wie er Grundlage des Europäischen Marktes ist. Der Wettbewerb erfordert eine Transparenz des Leistungsgeschehens für Arzt und Patienten.
Die Alternative zu Arzneimittelfestpreisen ist ein offener Markt, in dem der Patient letztlich entscheidet, welches Medikament er zu welchem Preis unter Berücksichtigung seiner Versicherungssituation kaufen möchte.
Die Alternative zu Staatsmedizin ist eine privatisierte Medizin, für welche die Regeln der Europäischen Union gilt, insbesondere der freie Dienstleistungsverkehr. Nach den Gesetzen der EU sind die niedergelassenen Ärzte Unternehmer, das entspricht auch dem Status des deutschen Freiberuflers (Brökelmann 2002).
Die Alternative zu einem alle Lebensbereiche durchsetzenden Sozialstaat mit unterschiedlichen, sozial adaptierten Beiträgen und Subventionen ist ein Sozialausgleich nur über Steuern.
Eine Alternative zu einer Staatsmedizin, welche immer eine Bevormundung der Bürger darstellt, ist die uneingeschränkte Mündigkeit und Eigenverantwortung der Bürger, wie es das deutsche Grundgesetz und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union fordern. Damit Bürger eigenverantwortliche Entscheidungen fällen können, müssen sie jedoch Kostentransparenz haben. Diese ist in einem Kostenerstattungssystem gegeben, nicht jedoch in einem Sachleistungssystem.
Das Ziel für die SPD war und ist eine „optimale“ Gesundheitsversorgung (Solidaritätsstärkungsgesetz - GKV-SolG 1998, Präambel). Da eine solche Vollversicherung offenbar nicht mehr zu finanzieren ist (u. a. Beske 2005, Klodt 2005), muss die Alternative eine „Basisversorgung“ sein, wie sie schon 2000 vom Europäischen Parlament beschlossen wurde (Brökelmann 2001). Da eine solche Basisversicherung in ganz Europa gelten muss, sollte sie sich in ihrem Leistungsangebot und in ihren Preisen an den wirtschaftlich schwächeren Mitgliedstaaten orientieren.
Für eine Privatisierung der Gesundheitsleistungen spricht, dass ein Großteil der Krankheiten durch gesundheitsbewusstes Handeln des Einzelnen vermieden werden kann und damit in den Privatbereich fällt (Wiesemann 2005). Dieser kann durch private Zusatzversicherungen zur Basisversicherung abgesichert werden.
Fazit
Die aufgezeigte Alternative „Freie Praxis“ orientiert sich an Zielen der Freiberuflichkeit, wie sie sich in Deutschland bei den freien Berufen herausgebildet haben, und an den Vorgaben, die in der Europäischen Union bestehen. Die von der SPD verfolgte Staatsmedizin verfolgt auf der anderen Seite eine Politik, die der europäischen entgegensteht und damit nicht zukunftsweisend ist.
Folgt man dieser Argumentation, ergeben sich folgende mittelfristige Strategien:
Die ambulanten Operateure und Anästhesisten müssen sich in ihren Praxen und Praxiskliniken auf den Wettbewerb vorbereiten, d.h.
- auf Qualität achten (Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung AQS1),
- die Praxis wirtschaftlich führen und über die Praxiskosten jeder Leistung informiert sein,
- die Bevölkerung und Ärzte über die Qualität informieren (Öffentlichkeitsarbeit),
- Verträge im Rahmen der Integrierten Versorgung (IV) anstreben, um von der KV unabhängig zu werden,
- nach Möglichkeit eine zumindest praxiskostendeckende (!) Vergütung für die Leistungen erreichen, wobei sich weltweit die Vergütung nach ambulanten DRG´s durchsetzt,
- nicht darauf warten, dass ein Verband oder die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung (KV) Rahmenverträge für eine IV-Versorgung anbieten,
- im Wettbewerb sind Kartelle verboten, z.B. eine einheitliche Preispolitik von Tageskliniken,
- unabhängig von der KV werden – diese wird in Zukunft nur die Basisversorgung zu organisieren haben,
- sich in den freien Verbänden engagieren, um Mitstreiter in der Abwehr der Staatsmedizin zu finden, aber gleichzeitig die Ziele der „freien Praxis“ zu erreichen.
Literatur
- Beske F (2005). Deutschland hat ein gutes Gesundheitssystem. Damit das so bleibt, ist eine ehrliche Analyse dringend erforderlich. Ärzte Zeitung 22.11.2005 http://www.arzt-in-europa.de/pages/2005FB_Gesundheitssystem.html
- Brökelmann J (2001). EU-Parlament beschließt einheitliche Basisversicherung. http://www.arzt-in-europa.de/pages/2001JB_Basisversicherung.htm
- Brökelmann J (2002). Der niedergelassene Facharzt zwischen deutschem Sozialstaat und Europa. http://www.arzt-in-europa.de/pages/2001JB_Facharzt.htm
- Bundesverfassungsgericht (2005). Höherer als 3,5facher Satz ist zulässig. Quelle: AZ: 1 BvR 1437/ http://www.mao-bao.de/artikel/2004BVG_Gebuehren.htm
- Hoppe J-D (2005). Schmidt stellt Weichen auf Staatsmedizin http://www.baek.de/25/15Reden/Aktuelles/68GOAE.html
- Klodt H (2005). Jeder für sich. Interview mit Henning Klodt, Leiter des Referates Wachstum und Strukturwandel am IfW Kiel. : kma 09/05,24 http://www.arzt-in-europa.de/pages/2005HK_Jederfuersich.html
- Solidaritätsstärkungsgesetz - GKV-SolG vom 18.12.1998 (Präambel)
- Wiesemann H-O(2005). Gesundheit, Gleichheit, Gerechtigkeit. Das Gesundheitswesen: In einem weiten Meer des Kapitalismus eine quasikommunistische Insel der Glückseligkeit. Versicherungsmedizin 57 (2005) Heft 2, 61-63 http://www.arzt-in-europa.de/pages/2005HOW_Gerechtigkeit.html
Staatsmedizin |
Freie Praxis |
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Ärzte Einheitliche Gebührenordnung Feste Behandlungspreise Behandlungsverpflichtung der Ärzte Vorgeschriebene Qualität nach Leitlinien |
Ärzte „Flexible“ GBO Freie Preisgestaltung (Qualität, Kosten) Freie Arzt- und Behandlungswahl Qualitätswettbewerb, Transparenz |
Arzneimittel Festpreise für Arzneien |
Arzneimittel Freier Markt |
Hoheitliche Aufgaben Regieren mittels Selbstverwaltungsorganen - Kassenärztliche Vereinigungen - Ärztekammern - Krankenkassen - Landes- und Kommunalverwaltungen |
Hoheitliche Aufgaben Rahmenvorgaben der EU (Gesetze, Verträge) - Freier Waren- u. Dienstleistungsverkehr - Arzt = Unternehmer (Freiberuflichkeit) - Werbefreiheit - Freie Verbände |
Sozialausgleich Über alle Facetten des Sozialstaates - u. a. Sozialbeiträge, Steuern |
Sozialausgleich nur über Steuern |
Bürger Bevormundung des Bürgers Mangelinformation bezüglich Kosten - Sachleistungsprinzip |
Bürger Mündigkeit (Eigenverantwortung) der Bürger Kostentransparenz - Kostenerstattungsprinzip |
Ziel Vollversicherung der Bevölkerung durch eine gesetzliche Krankenversicherung |
Ziel Privatisierung der Gesundheitsleistungen. Basisversicherung durch Pflichtversicherung. Sozialausgleich über Steuern. |
Bundesverband für Ambulantes Operieren - BAO
Managementgesellschaft Ambulantes Operieren – MAO
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