12.02.2009: BAO-MAO-Aktuell

BAO-MAO-Aktuell – Extra vom 12. Februar 2009
Nachrichten für Ambulante Operateure und Anästhesisten

Diskussionsbeiträge zur Zukunft des deutschen Gesundheitssystems

CSU fordert Neuorientierung der Union in der Gesundheitspolitik
Die CSU fordert eine Neuorientierung in der Gesundheitspolitik. Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) sagte dem Berliner "Tagesspiegel" vom Sonntag, beim Ringen um eine gemeinsame Lösung und gegen das "neosozialistische" Konzept der SPD habe die Union "leider an Strahlkraft verloren". Er kritisierte: "Die Kopfpauschale war eine Sackgasse, die keine Akzeptanz beim Bürger fand."
Um wieder Vertrauen bei Patienten und Ärzten zu gewinnen, ist nach Ansicht Söders eine ernsthafte Alternative zum Bürgerversicherungsmodell von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) vonnöten. Söder kritisierte auch die gemeinsam beschlossenen Reformschritte.
"Der Fonds hat uns ein bürokratisch-zentralistisches System beschert, das sich zusammen mit der Honorarreform in der Praxis als untauglich erweist", sagte er. Obwohl mehr Geld ins System gepumpt worden sei, gebe es bei Ärzten, Krankenkassen und Patienten nur Ärger und "tiefe Verunsicherung".
Quelle: ddp/aerzteblatt.de Montag, 9. Februar 2009

Gesundheitswesen: Denken über das "System" hinaus
Folgt man der Analyse des Gesundheitsexperten der SPD-Bundestagsfraktion, Eike Hovermann, dann stehen dem deutschen Gesundheitswesen stürmische Zeiten bevor. Er fordert ein Denken über das derzeitige "System" hinaus.
Seine pointiertesten Forderungen, die er im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung vor der Ärztekammer Nordrhein vortrug, und über die er eine ehrliche Debatte fordert:
> Umfang und Grenzen einer Grundversorgung
> Priorisierung
> ehrliche Rationierung anstelle der schon lange verdeckten Rationierung/Rationalisierung und
> Kosten-Nutzen-Debatte.
Man müsse, so Hovermann, zu Überlegungen kommen, die außerhalb des gängigen Systems lägen, das "von immer neuen Flickenteppichen und einer immer schneller werdenden Flut von sich überholenden Gesetzen mit einer immer rigider werdenden Regelungsdichte bis ins letzte Detail" geprägt sei.
Der demographische Wandel und der Fortschritt im medizinisch-technischen Bereich würden immer neue finanzielle Anforderungen und Leistungserwartungen generieren, "die mit dem bisherigen System von Beiträgen und steuerlicher Co-Finanzierung nicht mehr zu bezahlen" seien. Auch wenn immer noch emphatisch darauf verwiesen werde, jeder erhalte das medizinisch Notwendige nach dem Stand der Forschung und eine Zwei-Klassen-Medizin gebe es nicht.
Hovermann zeigt Verständnis für die Unzufriedenheit der Ärzte mit der Honorarreform, wenn darauf verwiesen werde, dass von den 3 Mrd. Euro, die zusätzlich in das ambulante System fließen würden, bei einigen Fachrichtungen weniger ankomme als bisher.
Als besonders Betroffene sieht er die psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung, Hautärzte, Augenärzte und Kinderärzte. Besonders betroffen seien angesichts der geringen Geburtenzahl auch die Gynäkologen.
Die Umstellung auf eine feste Euro-Gebührenordnung, so Hovermann, hätte mehr Planungssicherheit bringen sollen, aber da zur notwendigen Mengenbegrenzung von Anfang an abgestaffelte Entgelte eingebaut worden seien, hätten sich Berechnungstechniken ergeben, "die sich bisweilen dem normalen Verstand entziehen".
Zu denken sei in diesem Fall an die zeitbezogenen Kapazitätsgrenzen für psychotherapeutische Leistungen, bei denen die Fallhäufigkeiten dramatisch anstiegen und gleichzeitig die Zeit für die Zuwendung abgesenkt werde.
Kritisch zu sehen sei auch die Tatsache, dass das in Aussicht gestellte Honorarvolumen für 2009 auf das Basisjahr 2007 bezogen werde. 2008 sei mit "all seinen Kostenentwicklungen" nicht eingebaut. Zudem müssten vom Gesamtvolumen 2009 rund 800 Mio. für die Anpassung an die Ostgehälter eingerechnet werden. Das sei im Grundsatz gerecht, aber dieses Geld fehle in den alten Bundesländern.
Zudem seien für das Regelleistungsvolumen (RVL) Minderungen durch die Bildung von Rückstellungen, z.B. für Sicherstellungsaufgaben oder Praxisbesonderheiten, eingetreten. Die endgültige Entwicklung im ambulanten Honorarbereich lasse sich aber erst nach dem zweiten Quartal 2009 einigermaßen valide feststellen.
Unter Druck gerieten die Ärzte auch durch die gestiegene Verhandlungsmacht großer Versorgerkassen in geschlossenen Einschreibesystemen. Hier lauere auch die Gefahr des upcodings im Rahmen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA). Dies gelte nicht nur für den ambulanten, sondern auch für den stationären Bereich. Dies sei ein katastrophaler Webfehler des Morbi-RSA.
Hovermann hegt Zweifel, ob die Bundesländer bei den GKV-Kassen, die ihrer Aufsicht unterliegen, entsprechende Kontrollen durchführten. Dies sei auch bei der Aufnahme von Schulden über das gesetzliche Maß hinaus nicht der Fall gewesen.
Im ambulanten Bereich sieht der SPD-Gesundheitspolitiker die Entwicklung, dass sich der Block der Hausärzte mit den großen Krankenkassen an den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) vorbei formiere. Die KVen erodierten so zu Facharzt-KVen, und zwar mit geringerem Budget als bisher.
Die Facharztgruppen fänden aber nicht zu einer gemeinsamen Linie auf Bundesebene. Das senke deren Einfluss und den der KVen und führe damit zu einer Schwächung ihrer Selbstverwaltung. Man verliere so an Einfluss im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und in anderen Verhandlungssektoren. Das stärke im Verteilungskampf alle anderen Sektoren, nur nicht die Position der Fachärzte.
Zusätzlich brächen fachärztliche Versorgungsstrukturen in Richtung Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) in Ballungsgebieten weg. Auch die ambulanten Behandlungsstrukturen rund um größere Krankenhäuser wüchsen an. Damit würden diese Strukturen automatisch wirk- und handlungsmächtiger. Die zunehmende Erosion des Kollektivvertrages trage ebenfalls dazu bei.
Quelle: Schütze-Brief • Gesundheitspolitischer Info-Dienst 9.02.2009 Nr. 11/2009, 3 -4

Zwangsjacken der Politik und der GKV gefährden die Patienten
Den Abbau der wohnortnahen Versorgung für die Versicherten und Patienten wird verursacht durch die fortschreitende Reglementierung der Vergütung der Mediziner sowie der Berufsgruppen Therapie und Pflege und der stationären Einrichtungen.
"Wir dürfen nicht weiter hinnehmen, dass trotz fortwährend steigender Versicherungsbeiträge eine leistungsgerechte Vergütung für die Berufsgruppen und Institutionen ver- oder behindert wird", so der Präsident Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGVP) e.V., Wolfram – Arnim Candidus. Man könne auch nicht weiter akzeptieren, dass die Politik und die gesetzlichen Kassen die fortschreitende Rationierung von Leistungen für die Versicherten und Patienten betreiben.
Die Bürokratie wird immer mehr ausgeweitet und rein ökonomische Interessen bei extrem hoher Leistungsverdichtung für alle Berufsgruppen/ Institutionen bei gleichzeitiger Beschneidung der finanziellen Mittel bestimmen den Kurs. Das führt zum Chaos in der Vergütung der Behandler und der Versorgung der Patienten.
Ärzte fordern nicht einfach höheres Honorar für sich selbst, vielmehr sehen sie aufgrund der aktuellen Strukturen die Gefahr, dass das ambulante medizinische Versorgungssystem zusammenbricht. So hat in einem offenen Brief an den Bundespräsidenten eine Gruppe von niedergelassenen Neurologen und Psychiatern argumentiert, dass Praxen unabhängig von der Fachrichtung oft von Insolvenz bedroht sind, Arbeitsplätze in Gefahr und aufgrund der schlechten Honorierung gezwungen sind, zeitintensive Behandlungen stationär einzuweisen oder an andere Ärzte zu verweisen. Das hat letztlich die zeitverzögerte, weniger einfühlsame Behandlung zur Folge, welche kaum noch wohnortnah geleistet werden kann.
Die qualifizierten Berufsgruppen in der ambulanten und stationären Versorgung sollten nach Überzeugung der DGVP die Kompetenzen bündeln und gemeinsam mit ausreichend qualifizierten Versicherten und Patienten die Anforderungen für eine effektive und wirtschaftliche Versorgung schaffen. Die Politik kann die Struktur des Gesundheitswesens nicht oder nur mangelhaft verändern, da jeder Eingriff - welcher Partei auch immer - zum Verlust von Wählerstimmen führen würde. Und das will natürlich keine Partei. Zudem fehlt es bei der überwiegenden Zahl der politischen Mandatsträger auch an der ausreichenden Qualifikation, um die komplexen Themen des Gesundheitswesens ganzheitlich zu verstehen oder dazu Entscheidungen fällen zu können.
Hinzu kommt, dass die ausufernde Macht der gesetzlichen Krankenkassen reduziert werden muss. Aufgabe der Kassen sollte eine effektive Verwaltung mit geringstmöglichem, aber effektivem Aufwand sein, damit die Finanzmittel für die Behandlung und Vergütung zum Einsatz kommen und nicht für z.B. übertriebene Reklame an Litfass-Säulen.
Die DGVP fordert deshalb den Abbau der Bürokratie, der Bevormundung der Behandler und Institutionen durch die Politik und die gesetzlichen Krankenkassen und die effektive Berücksichtigung der Interessen der Versicherten und Patienten.
Die DGVP fordert und kämpft für eine konzertierte Aktion zwischen Versicherten und Patienten und den Berufsgruppen und Institutionen, ohne Druck durch die Politik und die GKV, sondern auf sachlich fundierter Ebene.
Ohne ausreichende Vergütung der Berufsgruppen wird der Patient dem Diktat der Unter- und Fehlversorgung ausgeliefert und muss Wartezeiten erdulden. Hinzu kommt dann noch, dass die wohnortnahe Versorgung abgebaut wird und neben höheren Beiträgen auch noch höhere Fahrtkosten anfallen.
Das Dilemma der derzeitigen Entwicklung im Krankheitsbetreuungssystem mit Mangelverwaltung – wie die DGVP das Gesundheitssystem bezeichnet - muss beendet werden und zwar sowohl für die Berufsgruppen und Institutionen als auch für die Versicherten und Patienten.
Quelle: Pressemitteilung der DGVP vom 09.02.2009, info@dgvp.de; http://www.dgvp.de

Der Streit um den Status der Krankenkassen soll in diesem Jahr entschieden werden
Was sind sie nun, die gesetzlichen Krankenkassen: Behörden? Unternehmen? Oder doch ein Zwitterwesen, für das ganz eigene Regeln gelten? Ein Streit, der seit Jahren die Gerichte beschäftigt und bei dem es vor allem um Milliardenaufträge geht.
Wären die Kassen Unternehmen, dann gälte das Kartellrecht. Ein gemeinsames Vorgehen der Kassenverbände wäre meist wettbewerbswidrig, Ausschreibungen würden regelmäßig darauf überprüft, ob beispielsweise der AOK-Verbund seine marktbeherrschende Stellung missbraucht. Schon 2004 hatte freilich der Europäische Gerichtshof (EuGH) diese Frage im Streit um die Festbeträge verneint: Die Kassen nähmen ohne jede Gewinnabsicht gesetzlich vorgegebene soziale Aufgaben wahr. Daher handelten sie nicht als Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen. Das Wettbewerbsrecht sei nicht anwendbar, urteilte der EuGH.
Eine "Behörde" zu sein ist nicht unbedingt von Vorteil
Seitdem geht der Streit in die andere Richtung: Wenn die Kassen keine Unternehmen sind, dann müssten sie Behörden sein, "öffentliche Auftraggeber", für die bei sämtlichen Beschaffungsverträgen das europäische Vergaberecht gilt. Diese Frage prüft der EuGH seit vergangenem Sommer. Streitig ist eine Ausschreibung der AOK Rheinland/Hamburg für die integrierte Versorgung von Diabetikern mit orthopädischen Schuhen. Die EU-Kommission unterstützt in dem Verfahren den klagenden Orthopädiebetrieb und hat auch bereits heftig gegen die Rabattverträge für Arzneimittel protestiert. Im Dezember kam nun auch der richterliche Rechtsgutachter Ján Mazák zu dem Ergebnis, die Kassen seien "öffentliche Auftraggeber" und müssten ihre Aufträge europaweit ausschreiben. Diese sogenannten Schlussanträge gelten gemeinhin als Vorentscheidung.
Den Kassen könnte die Pflicht zur europaweiten Ausschreibung drohen.
Nach einem Urteil des EuGH vom Dezember 2007 gelten die öffentlichen Rundfunkanstalten als öffentliche Auftraggeber. Zur Begründung verwiesen die Luxemburger Richter auf die überwiegende Finanzierung durch hoheitlich erhobene Gebühren. Das Gesundheitswesen gehört aber ausdrücklich nicht zum Regelungsbereich der Europäischen Union. Die Kassen, denen das Vergaberecht nicht flexibel genug ist, hoffen daher noch, dass bei ihnen das Vergaberecht nur etwa für Büromaterial oder Reinigungsaufträge gilt, nicht aber für Gesundheitsleistungen. Voraussichtlich noch in diesem Frühjahr wird der EuGH das Urteil verkünden.
Unterdessen stritten die deutschen Gerichte zunächst um die Zuständigkeit. Im April 2008 reklamierte das Bundessozialgericht (BSG) das Thema für die Sozialgerichte, vier Monate später erklärte der Bundesgerichtshof, die Zivilgerichte seien zuständig. Dabei machten die Karlsruher Richter gleich auch deutlich, dass ihres Erachtens das Vergaberecht gilt. Der Ruf der Pharmahersteller nach einer gesetzlichen Klärung endete nach dem Wunsch der Kassen: Nach dem am 17. Dezember in Kraft getretenen Gesetz zur Weiterentwicklung der Strukturen in der GKV (GKV-OrgWG) sind die Sozialgerichte zuständig - und zwar ungewöhnlicher Weise auch für alle schon anhängigen Verfahren.
Quelle: Martin Wortmann. Ärzte Zeitung, 04.02.2009

Laumann möchte KVen Nordrhein und Westfalen-Lippe fusionieren
Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat sich für einen Zusammenschluss der beiden Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) des Landes ausgesprochen.
Laumann sieht die Kassenärzte in Nordrhein-Westfalen bei der Reform der ambulanten Vergütung benachteiligt. Schon im September 2008 hatte er kritisiert, dass die bayerischen Kassenärzte eine stärkere Honorarerhöhung als die nordrheinischen bekommen sollten, obwohl sie im Durchschnitt 33.000 Euro mehr verdienten.
Laumann hält das in Zeiten eines bundeseinheitlichen Krankenkassenbeitragssatzes für nicht zu rechtfertigen.
Quelle: Stü/aerzteblatt.de Donnerstag, 5. Februar 2009

DRG-System: Ein Erfolgsmodell?
Nach fünfjähriger Übergangsphase sollte das deutsche System der Diagnosis Related Groups (G-DRGs) 2009 "scharf" geschaltet werden. Zeit für eine Zwischenbewertung, auch wenn der Gesetzgeber den Übergang kurzfristig um ein weiteres Jahr gestreckt hat. Die Bewertung fällt in der Laien- wie Fachpresse positiv aus. So schwärmt die "Süddeutsche Zeitung" von einem "Exportschlager". Für die "Ärzte-Zeitung" ist das deutsche DRG-System nun "erwachsen" geworden. Lässt sich dies durch Fakten belegen?
Eine Zwischenbewertung hat sich an den mit der Einführung des DRG-Systems verknüpften Zielen und Erwartungen zu orientieren. Es war 1999, als der Gesetzgeber im GKV-Gesundheitsreformgesetz die Einführung eines "durchgängigen, leistungsorientierten und pauschalierenden Vergütungssystems" formulierte und die Orientierung an einem "international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage der Diagnosis Related Groups" vorschrieb. Erstes Ziel des Gesetzgebungsverfahrens war die "Verbesserung von Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen". Die damalige Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) präzisierte in einem Vortrag "die deutschen Krankenhäuser brauchen mehr Transparenz und Wirtschaftlichkeit" und kritisierte insbesondere den Ausgabenanstieg im Krankenhausbereich. Mit der Einführung des DRG-Systems hätte man somit drei Ziele verbinden können: Verringerung oder zumindest Stabilisierung der Kosten, Erzeugung von Transparenz über das Leistungsgeschehen und Verbesserung der Behandlungsqualität.
Zwischen 2003 und 2007 sind die bereinigten Kosten allgemeiner Krankenhäuser um 9,1 Prozent gestiegen, also keineswegs gesunken (Quelle: Statistisches Bundesamt). Diese Steigerung liegt über derjenigen im Zeitraum von 1999 bis 2003 (neun Prozent) und 1995 bis 1999 (6,6 Prozent, Anstieg von 1995 nach 1996 geschätzt). In all diesen Jahren lag die höchste Steigerung zum Vorjahr mit 4,2 Prozent im Jahr 2007, also bereits zu einer Zeit, in der sich das DRG-System eingespielt hatte. Von einer Verringerung oder Stabilisierung der Kosten durch Einführung der DRGs kann also keine Rede sein. Auch ein Blick auf die Verweildauer zeigt Überraschendes: Zwar ging die Verweildauer zwischen 2003 und 2007 von 8,3 Tagen auf 7,8 Tage zurück (minus sechs Prozent). Der Rückgang war jedoch sowohl zwischen 1999 und 2003 mit 16,2 Prozent als auch von 1995 bis 1999 mit 13,2 Prozent deutlich stärker ausgeprägt. Die Kosten der Krankenhäuser sind somit nach Einführung der DRGs weiter gestiegen; der Rückgang der Verweildauer hat sich abgeschwächt.
Wenn derzeit Kritik an den G-DRGs formuliert wird, dann ist es die nach vielen Überarbeitungen entstandene Unübersichtlichkeit. Dies wird auch in der Laienpresse eingeräumt: "Kompliziert? Allerdings!" Selbst für ihre Architekten sind die G-DRGs kein Instrument mehr zur transparenten und für alle Beteiligten nachvollziehbaren Darstellung klinischer Fallgruppen. Ein inhaltlicher Vergleich von Krankenhäusern über die vielfältigen Vergütungskomponenten der G-DRGs in der Version 2009 ist kaum möglich. Die Zahl der Fallgruppen hat sich fast verdoppelt (von 664 im Jahr 2003 auf 1 192 im Jahr 2009), die Bedeutung von Zusatzentgelten als weitere Vergütungskomponente wurde ausgebaut (von 26 im Jahr 2003 auf 127 im Jahr 2009). Gleichzeitig wurde das Verfahren der Gruppierung durch vielfältige Merkmale und Bedingungen kompliziert. Kannte man 2003 nur das Aufnahmegewicht, gibt es 2009 kaum verständliche Elemente wie "Vierzeitige bestimmte OR-Prozeduren", "Komplizierende Konstellationen Prä-MDC" und "Komplizierende Konstellationen II" .Von Transparenz kann also im deutschen DRG-System keine Rede sein.
Bleibt das dritte Ziel: die Verbesserung der Behandlungsqualität. Eine Bewertung ist hier schwierig, da übergreifende Kennzahlen fehlen. Hilfsweise lässt sich auf die Ergebnisse der externen vergleichenden Qualitätssicherung nach § 137 SGB V zurückgreifen, die 15 bis 20 Prozent der stationären Behandlungsfälle umfassen. Die Ergebnisse der Jahre 2004 und 2007 lassen sich über eine Auswahl von 59 Kennzahlen vergleichen. Hierbei zeigen sich in den bundesweiten Daten bei 47 Kennzahlen eine Verbesserung (80 Prozent), bei sieben eine Verschlechterung (zwölf Prozent) und bei fünf identische Werte (acht Prozent). Die Ergebnisse der externen vergleichenden Qualitätssicherung weisen somit auf eine Verbesserung der Behandlungsqualität in den Krankenhäusern hin.
Die Zwischenbewertung fällt somit zweigeteilt aus. Bezogen auf die ökonomischen Ziele ist das G-DRG-System wirkungslos geblieben. Die Kosten der Krankenhäuser sind ungebremst gestiegen, eine Transparenz des Leistungsgeschehens wurde nicht erreicht. Bezogen auf die medizinische Behandlungsqualität zeichnet sich hingegen eine positive Tendenz ab. Ob dies tatsächlich den DRGs zuzuschreiben ist, muss allerdings bezweifelt werden. Setzt doch die externe vergleichende Qualitätssicherung selbst verschiedene Anreize zur Qualitätsverbesserung, wie Feedback, Benchmarking und den sogenannten strukturierten Dialog.
Eindeutige Belege für die euphorischen Einschätzungen zu den G-DRGs lassen sich somit nicht finden. Im Gegenteil: Es überrascht, dass ein vor allem unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten interessantes Vergütungssystem so wirkungslos geblieben ist. Es ist daher höchste Zeit, die Effekte der DRG-Einführung in Deutschland wissenschaftlich zu diskutieren. Die mit dem Fallpauschalengesetz von 2002 geforderte Begleitforschung wurde erst 2008 durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus ausgeschrieben. Kürzlich erfolgte der Zuschlag an die IGES-Institut GmbH, die nun einen Katalog von 50 durch die Selbstverwaltung vorgegebenen Fragen zu bearbeiten hat. Ob diese Begleitforschung tatsächlich eine objektive Bewertung leisten kann, hängt wesentlich von diesen, bislang kaum diskutierten Fragen ab. Sollten sich die hier dargelegten negativen Effekte nicht widerlegen lassen, wäre die Abschaffung der G-DRGs eine nahe liegende Konsequenz.
Quelle: Stausberg, Jürgen Dtsch Arztebl 2009; 106(6): A-226

Ärztemangel in strukturschwachen Regionen
Zukunftsorientierte Lösungsansätze über die Sektorengrenzen hinweg
Auszüge
1.1 Faktoren und Determinanten des Ärztemangels
Für den in Deutschland diskutierten drohenden Ärztemangel werden vielfältige Gründe genannt. Zum einen wird als einer der Hauptgründe für zu wenig berufstätige Ärzte auf die mangelnde Attraktivität des Arztberufes hingewiesen.
Daneben wird eine anhaltende und sogar zunehmende Feminisierung des Berufsstandes konstatiert. Als ein weiterer, wichtiger Aspekt ist die demographische Entwicklung zu nennen.
1.2 Entwicklung der Ärztezahl
Ein wichtiger Punkt, der trotz der leicht ansteigenden Arztzahlen zu dem drohenden Ärztemangel beiträgt, ist die Abwanderung deutscher Ärzte ins Ausland. So sind im Jahr 2007 insgesamt 2.439 deutsche Ärztinnen und Ärzte abgewandert.
Parallel dazu ist die Zahl der ausländischen Ärztinnen und Ärzte, die in Deutschland praktizieren, um 921 gestiegen. Insgesamt lag der Anteil der deutschen Ärzte im Jahr 2007 damit bei nur noch 77 Prozent.
2. Ungleiche Ärzteverteilung als ein Problem strukturschwacher Regionen
Der aktuelle Ärzteatlas des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen (WIdO) verdeutlicht, dass nicht ein Mangel an Ärzten das Problem in Deutschland ist, sondern deren regionale Verteilung. Die heutige vertragsärztliche Versorgung in Deutschland ist nicht durch einen generellen Mangel an Ärzten, sondern durch deren ungleiche Verteilung gezeichnet.
- Vor allem strukturell unattraktive Gegenden sind von dem Ärztemangel am meisten betroffen.
- Wie aus der Abbildung 4 ersichtlich, fehlen insbesondere in ländlichen Regionen Nord- und Ostdeutschlands Ärzte.
2.1 Ärztemangel im niedergelassenen Bereich
Am deutlichsten wird die unzureichende regionale Verteilung der niedergelassenen Arztpraxen im Bereich der Hausärzte, da es hier die regional größten Versorgungsunterschiede gibt. Die bundesweit höchste Versorgungsdichte hat Starnberg mit 150 Prozent, gefolgt von Freiburg mit 146 Prozent und München mit 140 Prozent. In 24 Kreisen und Städten in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt liegt der Versorgungsgrad hingegen nur zwischen 75 und 90 Prozent.
2.2 Ärztemangel im stationären Bereich
Gemäß des Krankenhausbarometers 2008 der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) können derzeit in Deutschland rund zwei Drittel der Krankenhäuser offene Stellen im ärztlichen Dienst nicht besetzen. Gründe hierfür sind, so das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI)12, vor allem Probleme bei der Personalrekrutierung aufgrund des vorherrschenden Ärztemangels und die schwierige wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser.
3. Zukunftsorientierte Lösungsansätze
Die Aktivitäten einzelner Bundesländer und Ärztekammern haben gezeigt, dass monetäre Anreize alleine zu kurz reichen, um dem Ärztemangel in den, betroffenen Gebieten nachhaltig entgegenzuwirken.
3.1 Verbesserung der Ausbildungssituation
Stipendien, wie sie die Bundesgesundheitsministerin vorschlägt, bieten eine Möglichkeit, junge Akademiker für den Arztberuf zu gewinnen. Durch die Finanzierung ihres Studiums können sie für unterversorgte Gebiete gewonnen werden, jedoch kann man damit die mangelnde Attraktivität des Arztberufes in strukturschwachen Regionen vermutlich kaum lösen.
- Vielmehr könnten junge Ärzte für ländliche und strukturschwache Gebiete gewonnen werden, wenn ihnen ein für sie interessantes Berufsspektrum als auch eine neuartige Ausübung ihres Berufsbildes in Aussicht gestellt wird.
- Hierbei ist beispielsweise denkbar, dass jungen Ärzten eine Verkürzung ihrer Facharztausbildung ermöglicht wird (v. a. im Bereich der fachärztlichen Allgemeinmedizin), oder ihnen auch die Möglichkeit gewährt wird, parallel zu ihrer Facharztausbildung im stationären diese auch im ambulanten Bereich absolvieren zu können, um somit bereits zu Beginn ihrer) Ausbildung ein breiteres Spektrum kennen zu lernen.
- So muss auch an einer verbesserten Infrastruktur in den betroffenen Regionen gearbeitet werden, um diese in Zukunft wieder — auch für andere Akademikergruppen — attraktiv zu gestalten. Hier ist insbesondere die Stärkung des lokalen Mittelstandes von enormer regionalökonomischer Bedeutung.
3.2 Möglichkeiten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes zur sektorübergreifenden Lösung
Das VÄndG liberalisiert die ärztliche Berufsausübung und bietet neuartige Möglichkeiten, mit denen Ärzte sowohl im vertragsärztlichen als auch im stationären Bereich tätig sein können. Dadurch können Ärzte nicht nur ihre Berufserfahrung erweitern, sondern auch die medizinische Versorgung einer gesamten Region kann effizienter gestaltet werden. So kann es für viele Ärzte attraktiv sein, neben ihrer Tätigkeit im Krankenhaus auch in der ländlichen Peripherie Satellitenpraxen an zwei bis drei Tagen in der Woche zu betreiben und somit auch die ambulante Patientenversorgung mit zu übernehmen. Sie können als Einweiser in das Krankenhaus und dort als behandelnder Arzt agieren, d. h. die Patienten durchgängig betreuen. Dies ermöglicht ihnen zudem zusätzliche Vergütungsoptionen.
- Haben nun Ärzte die Möglichkeit, neben ihrer Vertragsarzttätigkeit im Krankenhaus angestellt zu sein, kann durch diese flexible Lösung beispielsweise auch (der Notdienst besser organisiert werden. Durch die Verbesserung der Arbeitsorganisation und die Ausweitung der Verdienstmöglichkeiten wird die Attraktivität des Arztberufes in den betroffenen Regionen gesteigert.
- Die Möglichkeit von Teilzulassungen im vertragsärztlichen Bereich kann insbesondere für Ärztinnen von besonderem Interesse sein, die ihre Berufstätigkeit mit einem geregelten Familienleben vereinbaren wollen. Auch die Teilzeitanstellung in einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) — unabhängig davon, ob in der Trägerschaft von Vertragsärzten oder eines Krankenhauses — bietet flexible Lösungsoptionen. Damit kann die zunehmende Feminisierung der deutschen Ärzteschaft als Chance gelten, einem drohenden Ärztemangel entgegenzuwirken.
3.3 Honorarzuschläge für die Arzttätigkeit in strukturschwachen Regionen
Auch im vertragsärztlichen Bereich sind im Rahmen der neuen Euro-Gebührenordnung gezielte Auf- und Abschläge auf den Orientierungswert gesetzlich vorgesehen, um das ärztliche Niederlassungsverhalten zu steuern (§ 87 Abs. 2e SGB V).
4. Ausblick
Man kann konstatieren, dass Deutschland heute nicht primär an einem Ärztemangel, sondern an deren Fehlallokation im Bundesgebiet leidet.
- Insbesondere können hierzu neue, sektorübergreifende Strategien wie die parallele Tätigkeit als Vertrags- und Krankenhausarzt oder eine neuartige Facharztausbildung mit neuen medizinischen Schwerpunkten, beitragen.
Dennoch bleibt als Hauptproblem die mangelnde Attraktivität der betroffenen Regionen. Hier muss das Ziel der Regionalentwicklung und Raumplanung sein, diese Räume zukunftsfähig zu gestalten.
Quelle: Andreas Beivers und Christof Minartz, Institut für Gesundheitsökonomik (lfG), München. Gesellschaftspolitische Kommentare Nr. 1/09, 43

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Prof. Dr. Jost Brökelmann, Redakteur BAO-MAO-Aktuell
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Partner DGH

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